Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder!
„Quo vadis Afghanistan …?“ Unter diesem Thema lud ich Sie für Donnerstag, den 15. Dezember 2022, 15.00 Uhr zu einer Vortragsveranstaltung in das Zentrum Innere Führung ein. Thema, Zeit und Ort bleiben – der Vortragende und der inhaltliche Schwerpunkt wechseln.
„Bilanz des NATO & Bundeswehreinsatzes in Afghanistan 2001 – 2011“
Fazit des internationalen Engagements in Afghanistan unter besonderer Berücksichtigung des deutschen Beitrags
Unter dieser Überschrift beleuchtet der ehemalige Sprecher ISAF und Verteidigungsattaché an der deutschen Botschaft in Kabul, Oberstleutnant a. D. Thomas Löbbering, den Einsatz aus militärischer und politischer Sicht, bewertet die Ergebnisse für Afghanistan wie auch ihre Rückwirkungen auf die deutsche Politik. Kurz: Was wurde erreicht? Was wurde verspielt? Wie geht es weiter?
Nach seiner Verwendung als Kommandeur des Panzerbataillons 383 in Bad Frankenhausen / Thüringen von 1996 – 2000 hat sich Thomas Löbbering zwischen 2001 – 2012 fast 11 Jahre dienstlich mit Afghanistan befasst und 7 Jahre im Land gelebt – als deutscher Einsatzsoldat, als “NATO-Soldat“ in Zivil und als Diplomat in beiden Anzügen.
Seine Verwendungen als Sprecher der ISAF Kabul Multinational Brigade, als Sprecher Com ISAF, als Chief Media Operations Afghanistan im NATO Headquarter sowie als militärpolitischer Beratungsoffizier und Verteidigungsattaché an der Deutschen Botschaft in Kabul befähigen ihn – wie nur wenige Soldaten – zu einer Gesamtschau des Einsatzes.
Thomas Löbbering ist seit seiner Pensionierung Ende 2013 ein gesuchter Vortragsredner zum deutschen Afghanistaneinsatz nicht nur in der Bundeswehr, sondern auch im zivilen Bereich. Seine Ausführungen gehen weit über den militärischen Horizont hinaus. Sie ordnen das deutsche militärische und zivile Engagement in den internationalen Kontext ein und berücksichtigen auch Gegenwart und Zukunft der politischen Aufarbeitung vor allem in Deutschland.
So trägt er seit 2015 jährlich auf den einwöchigen Afghanistanseminaren des Hamburger Senats, bei der Gesellschaft für Sicherheitspolitik und erst jüngst bei der Jahreshauptversammlung des Berliner Afghanistan-Komitees vor. Teilnehmer der Veranstaltungen waren u. a. Bundestagsabgeordnete, Mitglieder der Enquete-Kommission des deutschen Bundestages zu Afghanistan, Integrationsbeauftragte der Bundesländer, Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Einsatzführungskommandos, deutsche und afghanische Multiplikatoren, einschließlich afghanischer Botschafter in Deutschland und ehemaliger deutscher Botschafter in Afghanistan.
Nach dem überstürzten Abzug der westlichen Truppen und nahezu aller internationalen Helfer sowie der erneuten Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 befasst sich seit dem 8. Juli 2022 ein vom Deutschen Bundestag eingesetzter Untersuchungsausschuss mit den Geschehnissen beim Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und der Evakuierung des deutschen Personals, der Ortskräfte und anderer Personen. Betrachtet wird der Zeitraum vom 29. Februar 2020 – dem Abschluss des sogenannten Doha-Abkommens zwischen der US-Regierung und Vertretern der Taliban – bis zum Ende des Mandats zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan am 30. September 2021.
Darüber hinaus hat der Deutsche Bundestag die Enquete-Kommission “Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ eingesetzt. Die Kommission soll bis Ende 2024 den deutschen Beitrag zur internationalen Stabilisierungsmission Afghanistan zwischen 2002 und 2021 bewerten und Empfehlungen für zukünftige Einsätze formulieren, insbesondere im Sinne der Weiterentwicklung des vernetzten Ansatzes von Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik. Die ehrliche Aufarbeitung der Afghanistan-Mission sei, so die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, zudem eine Verpflichtung gegenüber allen, die am Einsatz beteiligt gewesen seien – Soldaten, Polizisten, Diplomaten, Entwicklungshelfer und Ortskräften.
Die derzeitige Gesamtsituation in Afghanistan ist unverändert unübersichtlich. Auch nach der Machtübernahme durch die Taliban kann von landesweiter Sicherheit keine Rede sein. Unverändert sind Bombenanschläge oder Attentate an der Tagesordnung. Ethnische, religiöse und soziale Minderheiten werden diskriminiert und unterdrückt. Die innerafghanischen Konflikte schwelen weiter – die Gefahr des Wiederaufflammens eines Bürgerkriegs steht am Horizont.
Unmittelbare Folgen der Machtübernahme der Taliban sind die faktische Abschaffung der Meinungs- und Pressefreiheit, der nahezu vollständige Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen Leben, vom Arbeitsmarkt und von Bildungsmöglichkeiten. Ein drastischer wirtschaftlicher Niedergang, ein Absinken des Lebensniveaus für die Mehrheit der Bevölkerung unter das Existenzminimum und Hungersnöte sind die Folge. Hunderttausende Menschen befinden sich auf der Flucht im eigenen Land, in den Nachbarländern oder als Migranten weltweit, vor allem in den Ländern früherer Truppensteller.
Afghanen und Afghaninnen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten für oder mit westlichen Truppen und Entwicklungshilfeorganisationen gearbeitet haben und noch nicht evakuiert wurden, fürchten um ihr Leben. Sie hoffen, mit Hilfe ihrer „Schutzmacht“ noch das Land verlassen zu können. Mitte Oktober hat die Bundesregierung daher das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan beschlossen. Mit seiner Hilfe sollen bis Ende 2025 monatlich bis zu 1.000 besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan Aufnahme in Deutschland finden.
Doch über diese überschaubare Gruppe hinaus gedacht. Welche Folgen hat der millionenfache Exodus gerade der jungen und vergleichsweise gut (aus)gebildeten Menschen für Afghanistan insgesamt?
Werden die Taliban begreifen, dass auch für sie Bildung im umfassenden Sinne und für Männer wie Frauen, Jungen wie Mädchen der Schlüssel zu einer besseren Zukunft sein kann?
Diese und viele weitere Fragen stellen sich, auf die Ihnen Thomas Löbbering sicherlich pointierte Bewertungen, zumindest aber Denkanstöße geben kann.
Der Vorstand und ich freuen uns, Sie am 15. Dezember um 15.00 Uhr – allein, mit Ehe-/Lebenspartner(in) und/oder Bekannten – zur Vortragsveranstaltung begrüßen zu können.
Ihr
Alois Bach
Brigadegeneral a. D.