Am Folgetag stand der Besuch des Germanischen Nationalmuseums in einem ehemaligen Kartäuserkloster auf dem Programm. Im Zentrum Nürnbergs bietet es eine Zeitreise durch 600.000 Jahre europäische Kunst, Kultur und Geschichte. Hoch- und Alltagskultur bilden im größten kulturgeschichtlichen Museum des deutschen Sprachraums eine Einheit und geben einen faszinierenden Einblick in das kulturelle Erbe Europas. Das Museum wurde 1852 durch den fränkischen Juristen Hans Freiherr von und zu Aufseß gegründet. Geschenke und Stiftungen aus allen Teilen der Bevölkerung machen es zum „Eigentum der deutschen Nation“.

In der Übersichtsführung standen im Mittelpunkt: die Holzskulptur „Raphael und Tobias“ des Künstlers Veit Stoß, der Goldhut der Bronzezeit, der älteste erhaltene Globus der Welt (Behaim 1492) und ein vergoldeter Reliquien-Schrein aus dem Mittelalter. Am Ende der Führung war jeder Teilnehmer überzeugt, das das größte kulturgeschichtliche Museum des deutschen Sprachraums weitere Besuche lohnt.

Nach dem Mittagessen in einer gemütlichen fränkischen Weinstube stand der Nachmittag ganz im Zeichen des Kennenlernens des Handwerkerhofes. Direkt an der noch intakten Stadtmauer gelegen und früher in der Funktion als Waffenplatz ist hier anlässlich der Feierlichkeiten zum Dürerjahr 1971 (500. Geburtstag) eine Handwerkeransammlung mit Ladengeschäften entstanden. Zunächst erklärte uns der Führer die Bedeutung der verschiedenen Handwerksinnungen für die wirtschaftliche Stadtentwicklung und seiner Bürger. Handwerk bedeutet immer auch Handel und somit auch Wohlstand.

Anschließend fand ein Rundgang durch die Geschäfte statt, der auch die Möglichkeit bot, einzukaufen. Es konnten besichtigt werden: Blechspielzeugladen, Töpferei, Zinngießerei, Holzspielzeug und Holzbrandmalerei, Lebkuchen und Chocolaterie, Glasgestaltung, Gläserne Kerzenmanufaktur, Seifenkistel und Papeterie, Stempel und Schreibbedarf.

Der Tag brachte viele neue Eindrücke und bot Erklärungen für den Wirtschaftsstandort Nürnberg. Nunmehr bestand die Möglichkeit weiterhin in der Altstadt zu verweilen und die besondere Atmosphäre zu genießen.

Für den nächsten Tag (Mittwoch) war im Programm ein Ausflug nach Kelheim vorgesehen. Dazu war ein frühes Aufstehen erforderlich, denn der Bus holte die Seminarteilnehmer bereits um 7 Uhr ab. Nach fast 2 Stunden wurde Kelheim erreicht. Der erste Besuchspunkt bildete eine Führung zu und in die Gedenkstätte Befreiungshalle. Auf dem Weg dorthin herrschte noch Nebel, so dass eine fast mystische Stimmung aufkam. Die Fotografen kamen auf ihre Kosten.

Der imposante Rundbau der Befreiungshalle auf dem Michelsberg in Kelheim, südwestlich von Regensburg, ist weithin sichtbar. Der bayerische König Ludwig I. ließ die Gedenkstätte für die siegreichen Schlachten gegen Napoleon in den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 und als Mahnmal für die Einheit Deutschlands errichten. Die Befreiungshalle steht in einer Tradition mit anderen Monumentalbauten, die Ludwig I. zum Ruhm Bayerns und der deutschen Nation in Auftrag
gab: die Feldherrnhalle, das Siegestor und die Ruhmeshalle mit der Bavaria in München sowie die Walhalla bei Regensburg.

Die feierliche Einweihung fand am 18. Oktober 1863 statt, dem 50. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig. Der Grundriss der Befreiungshalle stellt ein 18-eckiges Polygon dar. Die Strebepfeiler der Außenfassade werden von 18 Kolossalstatuen – Allegorien der deutschen Volksstämme – bekrönt, die der Bildhauer Johann Halbig aus Donau-Kalkstein ausführte. Die Zahl 18 versinn- bildlicht das Datum der Völkerschlacht, an dem die Truppen Napoleons von der Koalition vernichtend geschlagen wurden. Die reiche Kassettendecke der 45 Meter hohen Kuppelhalle und die Gliederung der Wand mit Nischen, Arkadenreihe und Galerie verleihen dem Raum seine besondere Akustik. Diese schafft gemeinsam mit der Architektur und dem hellen, festlichen Farbklang der Ausstattung eine erhabene Raumwirkung.

Die Teilnehmerzahl reduzierte sich aufgrund kurzfristiger krankheitsbedingter Ausfälle auf 17 Personen. Es wurde eigenständig angereist und überdies konnte der Aufenthalt in Nürnberg noch verlängert werden. Der Montag diente zunächst der Begrüßung und Einweisung in die Seminarwoche. Die Mehrheit der Teilnehmer war bereits letztjährig in Straßburg dabei gewesen. Man kannte sich. Die Grundstimmung war positiv und das Wetter im Verlauf der Woche überwiegend sonnig.

Dies war bereits die 7. Bildungsmaßnahme dieser Art für den Freundeskreis – zuvor wurden Dresden, Leipzig, Berlin, Prag und Wien und Straßburg mit dem gleichen Bildungsträger besucht. Das diesjährige Seminar trug den Titel: „Historische Spurensuche – Aufarbeitung der NS-Diktatur am Beispiel Nürnbergs“.

Das Seminar widmete sich einmal mehr der deutschen Geschichte, wobei die Aufarbeitung der NS-Verbrechen einen Schwerpunkt bildete. Zudem sollten die Seminarteilnehmer Nürnberg als einen Ort kennenlernen, der Tradition und Modernität in seiner Geschichte, vor allem in Wirtschaft und Kultur, exemplarisch abbildet. Des Weiteren wurde mit dem Besuch der Befreiungshalle ein Blick in die europäische Geschichte getan und der Besuch des Klosters Weltenburg in der grandiosen Flusslandschaft des Donau-Durchbruchs gab Auskunft über heutiges klösterliches Leben sowie dem Einfluss der Klöster auf die Politik der Vergangenheit.

Der Nachmittag des ersten Seminartages war der Altstadtführung mit Kaiserburg gewidmet. Die Führung selbst begann an einem kuriosen Brunnen in der Altstadt mit dem Namen „Ehekarussell“. Es folgte ein kurzweiliger, äußerst interessanter Rundgang, der verschiedenste kulturelle, geschichtliche, politische und wirtschaftliche Aspekte Nürnbergs in den Blick nahm. Die Bedeutung des früheren Handels im Mittelalter sowie der damals bereits weit entwickelten Handwerkerkunst wurde sichtbar.

Den besten Überblick hatte man von der Kaiserburg. Das Nürnberger Wahrzeichen dominiert das historische Zentrum, kein Hochhaus sprengt den Rahmen, die Chöre der Sebaldus- und Lorenzkirche ragen aus der Herde der steilen Dächer – allesamt mit roten Biberschwänzen gedeckt – heraus. Es ist den Stadtentwicklern gelungen, das über 80 Prozent zerstörte Nürnberg so aufzu- bauen, dass das mittelalterliche Stadtbild mit seinen verwinkelten Gassen weitgehend erhalten werden konnte. Der informative Rundgang endete in einem Festzelt des traditionsreichen Alt- stadtfestes zum ersten gemeinsamen Abendessen.

Von der Aussichtsplattform der Befreiungshalle hatte man einen phantastischen Blick auf die noch teils von Nebelschwaden verhüllte Flusslandschaft der Donau und ihre Einbettung in die grandiose Naturlandschaft zwischen Kelheim und Weltenburg. Nach dieser Besichtigung fuhr der Bus zu einer Schiffsanlegestelle in Kelheim. Dort bestiegen wir einen Donau-Ausflugsdampfer mit dem Namen „ Ludwig der Kelheimer.“ Es erfolgte bei herrlichem Sonnenschein, der zu einem Verweilen an Oberdeck einlud, eine einstündige Schifffahrt durch den Donaudurchbruch. Es gab Erläuterungen zur Historie der Passage und zur Geologie der eindrucksvollen Felsformationen. Der Donaudurchbruch bei Weltenburg ist eine Engstelle des Donautals im niederbayerischen Landkreis Kelheim, die als Naturschutzgebiet und Geotop anerkannt ist. Der in der südlichen Frankenalb gelegene Talabschnitt wird offiziell Weltenburger Enge genannt. Dieser Talabschnitt wurde am 13. Februar 2020 als nationales Naturmonument ausgewiesen.

Das Schiff machte am Kloster Weltenburg fest. In dessen Innenhof empfing uns ein Biergarten, der mit vielen Menschen gefüllt war, die sich am deftigen fränkischen Essen sowie am Klosterbier erfreuten. Ein Plakat mit dem Hinweis, dass sich hier die in der Welt älteste Klosterbrauerei befindet, konnte erstaunen.

 

Zunächst konnte man die Klosteranlage in eigener Regie erkunden. Anschließend fand in der Klosterschenke das Mittagessen statt. So gesättigt und zufrieden nahmen wir an einer Führung in der Asamkirche der Anlage teil. Zu uns sprach Pater Michael, einer von den 7 in der Abtei arbeitenden Mönchen. Wir erfuhren: Die Klosterkirche St. Georg der Benediktinerabtei Weltenburg am Donaudurchbruch bei Kelheim ist eine der wichtigsten Sakralbauten des Barock in Europa.

Die Klosterkirche wurde von 1716 bis 1718 erbaut und in der Folgezeit von den Brüdern Asam im Stile des Spätbarock ausgestattet. Im Zuge einer kompletten Neuerrichtung der Klosteranlagen ab 1714 entstand auch die Klosterkirche neu. Bis 1739 haben verschiedene Künstler den Innenbereich weiter ausgestaltet. Größere Renovierungsmaßnahmen an dem Kirchengebäude wurden, zuletzt in 2000 insgesamt 8 mal durchgeführt. Die farbenfrohen Decken- und Wandfresken sind außergewöhnlich. Das Ergebnis ist für den Betrachter überwältigend. Erläuterungen sind daher unbedingt erforderlich.

Der vorletzte Seminartag stand ganz im Zeichen der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit. Dies hieß praktisch zunächst ein 20 minütiger Fußweg vom Hotel zum nahegelegenen Justizpalast. Vom 20. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946 mussten sich im Saal 600 im Nürnberger Justizgebäude 24 führende Vertreter des nationalsozialistischen Regimes vor einem internationalen Gericht verantworten. Der Saal selbst ist der größte Saal des Justizpalastes, wurde für den Prozess umgebaut, damit 200 Journalisten und andere internationale Besucher an dem Prozess teilnehmen konnten. Der Prozess hatte hohe internationale Bedeutung.

Das „Memorium Nürnberger Prozesse“ als Dauerausstellung informiert am historischen Ort über das Gerichtsverfahren vor dem Internationalen Militärgerichtshof, erweitert aber seinen Fokus auch auf die 1946-49 durchgeführten „12 Nürnberger Nachfolgeprozesse“ gegen führende Vertreter aus Wirtschaft, Justiz, Ärzteschaft und Militär. Letztere fanden nur vor einem amerikanischen Militärgericht statt und sind bis heute wenig aufgearbeitet worden. Die Ausstellung informiert auch über die Auswirkungen der Nürnberger Prozesse auf die Entwicklung des Völkerstrafrechts, d.h. der Nürnberger Prozess gilt als die Geburtsstunde des modernen Völkerstrafrechtes. Dieses wurde in den 1990iger Jahren weiterentwickelt. Entsprechend war der Rundgang thematisch angelegt. Historische Ton- und Filmdokumente vermitteln einen lebendigen Eindruck vom Prozessgeschehen. Die Führung beinhaltete Kurzvorträge an bestimmten wichtigen Stationen der Dokumentation und endete in einem Seminarraum zur Diskussion des Leitthemas „Memorium Nürnberger Prozesse – Schuldig oder nicht schuldig?

Gerade mit den Nachfolgeprozessen verschiedener Berufsgruppen der NS-Zeit wurde der Blick auf Vergangenheitsbewältigung gerichtet (Entnazifizierung) und mündete in aktuelle Fragen wie z.B.: Welche Rolle spielt damals das Militär (Wehrmacht) und welche Unterschiede bestehen zur heutigen Bundeswehr? Wie hat sich die internationale Rechtsgeschichte weiterentwickelt hinsichtlich Strafverfolgung und Schutz der Menschenrechte?

Das Memorium Nürnberger Prozesse bietet zielgruppenorientiert Fortbildungen an. Dabei wird das Frageinteresse einer Besuchergruppe berücksichtigt, so dass besondere Programme zusammengestellt werden können. Die schließt auch Angehörige der Bundeswehr ein, die man im Rahmen historisch-politischer Bildung erreichen will. Der Nachmittag galt dem Besuch des Dokumentationszentrums „Reichsparteigelände Nürnberg“ und der dortigen Interimsausstellung für die Zeit der laufenden Umbauten. Eine großformatige Medieninstallation nimmt dort das Publikum durch die Jahre von 1918 bis 2020 und vermittelt eine erste Orientierung auf dem weitläufigen Areal. Vier um die Installation gruppierte Zeiträume beleuchten die Ereignisse rund um das Gelände genauer. Im Einzelnen werden dargestellt:

1918 – 1933 Chancen und Risiken – Nürnberg in der Weimarer Republik
1933 – 1939 Die Reichsparteitage – Gemeinschaft und Ausgrenzung
1939 – 1945 Das Gelände im Krieg – Gefangenschaft, Zwangsarbeit und Deportation
1945 – 2020 Kein gewöhnlicher Ort – Vom Umgang mit dem Gelände

Nach dem Krieg suchte Nürnberg jahrzehntelang nach einem adäquaten Umgang mit dem Gelände. Erst ab Mitte der 1980iger Jahre entstanden auch vor dem Hintergrund des zunehmenden öffentlichen Interesses erste Informationsangebote, 2001 eröffnete das Dokumentationszentrum. Noch heute fordert der Ort dazu auf, immer wieder neue Formen der Auseinandersetzung mit den baulichen Hinterlassenschaften des Nationalsozialismus zu finden. Historiker sprechen heute von „Kulissen der Gewalt“.

Am letzten Seminartag wurde das Spielzeugmuseum in der Altstadt aufgesucht. Es ist ein 1971 gegründetes städtisches Museum und gehört zu den bekanntesten Spielzeugmuseen der Welt. Auf einer Fläche von 1400 qm zeigt es eine Kulturgeschichte des Spielzeugs von der Antike bis in die Gegenwart. Die Ausstellung dokumentiert nicht nur den historischen Wandel des Spielzeugs, sondern versucht auch, die Bedeutung von Spielen und Spielzeug in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen darzustellen. Seit dem Mittelalter ist Nürnberg die Spielzeugstadt. In den kleinen Gassen der Nürnberger Altstadt und in fast allen Stadtteilen gab es Spielzeugfirmen: Hunderte! In Nürnberg wurden Holzspielzeug, Zinnfiguren, Puppenküchen, Kaufläden und insbesondere Blechspielsachen hergestellt.

Heute ist in Nürnberg der Sitz der weltweit größten Internationalen Spielwarenmesse. Mit diesem letzten Besuch, jenseits von Politik, endete eine interessante Bildungswoche. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in einem typisch fränkischen Wirtshaus („Hütt`n“), dankte der Vorsitzende des Freundeskreises, BG a.D. Alois Bach, dem zuverlässigen und fürsorglichen Seminarleiter, OTL a.D. Josef Pongratz, und übergab unter dem Applaus aller Teilnehmenden ein Buch („Deutsche Krieger“ von Sönke Neitzel) als Anerkennung.

 

von Harry Burkhardt